30. April 1954 CAMARONE in Đien Biên Phu

Angaben der Legionäre:

„Feiertag für die Légion étrangère. Der Jahrestag von Camerone. Der

älteste, ranghöchste und noch unversehrte Offizier Oberstleutnant

Lemeunier verlas nach alter Tradition das damalige Geschehen in den

Mauern des Gehöfts von Camerone, als im Jahre 1863 die 65 eingeschlossenen

Legionäre sich gegen 2000 Mexikaner lange tapfer wehrten,

bevor sie geschlagen wurden.“

Warum auch immer, die Waffen schwiegen auf beiden Seiten.

Eine brüllende Ruhe umgab das seichte Tal und die steilen Anhöhen.

Jedoch wehten Tausende von roten Fähnchen auf den Bergen um Đien

Biên Phu. Wohl kaum aus Achtung des Ereignisses von Camerone, eher

deshalb, da sich der 1. Mai als „Tag der proletarischen Internationale“

ankündigte und der Rauswurf der Kolonialmacht Frankreich kurz bevorstand.

Ein sehr interessantes Schreiben wurde von der Ehefrau des Oberbefehlshabers

der Garnison Đien Biên Phu, de Castries, verfasst und verschickt.

Arthurs Mutter erhielt das handgeschriebene Schreiben mit folgendem

Inhalt: 

 

01. Mai 1954

Arthur verzweifelt:

Der Zustand in den unterirdischen Feldlazaretten verschlimmert sich derart, dass die vielen Verwundeten nur noch notdürftig behandelt werden. Das Wet- ter hatte sich gegen uns Verteidiger verschworen und die Schützengräben füllen sich zunehmend mit einer Mischung aus schlammigem Wasser und Exkrementen. Ein Gestank, den man nicht beschreiben kann. Bis über die Knie

mussten wir in diesen Gräben umherwaten oder kriechen. Die Verwundeten, darunter auch viele gefangene Vietminh, liegen im Dreck, es fehlt an allem. Die meisten können gar nicht mehr in die Lazarette gebracht werden, da diese über- füllt sind. So lagen sie zusammengekauert umeinander, jammernd, notdürftig mit Planen abgedeckt, und vegetierten dem unvermeidlichen Tod entgegen. Er- win erkannte einen Senegalesen wieder. Es war ein Djola mit Namen Numo. Der arme Kerl lag halbnackt, an Armen und Oberkörper verbunden, außerhalb des Feldlazaretts, auf seiner Jacke im Graben. Numo starrte wie unter Hypnose in den tristen Himmel und schaute weder nach links noch nach rechts. Numo musste Erwin erkannt haben, denn er stotterte gebrochene Wörter: „Dema buouga nari, dema febary, Dema buouga nari, dema febary...“ Sein Kamerad, ebenfalls schwarz wie Ebenholz, drehte sich zu uns. Eine Mischung aus Regen- wasser und Blut rann aus seiner platten Nase und dem Mund, als er übersetzte: „Er sagt, dass er Durst und Schmerzen hat.“

Erwin brabbelte was zu ihm,gab Numo aus seiner Feldfasche einen Schluck Wasser und steckte ein Stück Schokolade in seinen Mund. Seinem Kameraden gab er auch einen Riegel, den er dankend annahm. Was für ein nimmer endender Schlamassel.

Jedoch mussten wir weiter, der Regen hatte aufgehört.

Es krachte von allen Seiten und wir lagen in Position, den Feind im Visier. Chuk, Erwin und ich erzählten, ließen eine Story Revue passieren, die sich hier in Windeseile herumsprach. Gestern hatten ein paar Chaoten von der 13. Halbbrigade ein Husarenstück bei `Eliane´ vollbracht. Zwischen den feindlichen Linien landeten an Fallschirmen Behälter mit „Vinogel“ (Weinkonzentrat), welches sich die frechen Viets gekrallt hatten. Der Andrang von Freiwilligen musste so groß gewesen sein, dass ausgelost werden musste, wer die Brühe da rausschießen sollte. Viele von der Halbbrigade klebten förmlich an ihren Ferngläsern und hypnotisierten die Unterstände der Diebe wie die Schlange die Maus. Über jede nur kleinste Bewegung bei den Viets wurde nervös getuschelt. Mittlerweile konnte man ein deutliches Gegröle aus der Vietstellung vernehmen, das deren Zustand zeichnete. Dies tat den Legionären in ihren durstigen Seelen mehr weh als die Verwundung eines umherfliegenden Schrapnells.

Am Abend, im Schutze der Dunkelheit, rückten die „Freiwilligen“ vor und umkreisten die Stellungen. Die Legionäre hatten die schon besoffenen Viets in ihrem Rausch bei Singsang völlig überrascht und schickten sie kurzerhand ins Jenseits. Danach sprengten sie die Unterstände in die Luft und verschwanden mit „ihrem Eigentum“ zurück in ihre Stellungen.

Ein Camerone ohne Wein und Blutwurst gibt es bei einem Legionär nicht.

Mit einem Hipp, hipp, Hurra, Vive la France wurde die Story gewürdigt.

Kurz nach der netten Geschichte erfolgte ein heftiger Angriff der Vietminh aus ihren Gräben um unsere Stellungen. Diese konnten wir nochmals unter schweren Verlusten bei den Vietminh zurückgeschlagen.

 

Angaben der Franzosen:

„Ruhe vor dem Sturm. Überall, sofern die Sicht es zuließ, sah man rote Fähnlein bei den Vietminh. Sie feierten ihren ’Feiertag des Sozialismus’. Ab 17:00 Uhr tobte der heftigste Artillerieangriff während der ganzen Schlacht. Die Stellungen zerbarsten unter dem Granatenhagel, keinerlei Chance für irgendeine Bewegung. Alle Verteidiger gruben sich in den Schlamm, so tief sie nur konnten, ohne gleich in dem stehenden Sumpfmodder zu ertrinken. Zwei Divisionen, die 312. und 316. von Giap, standen in ihren Ausgangsstellungen, bereit zur Attacke auf `Dominique 3´ und `Eliane 1´. Das Ziel der 308. Division heißt `Huguette 5´.

Drei Stunden wurden die Stellungen der Verteidiger sturmreif geschossen, dann stürmten die Bo Doi aus ihren Gräben. Der erst 21-jährige Capitaine Pan Van Phu kämpfte mit seinen übriggebliebenen BAWOUAN verbissen um jeden Meter gegen die ihm verhassten kommunistischen Aggressoren. Gerüchte machten die Runde, dass ’Todeswillige’ mit umgebundenem Sprengstoff sich an die französischen Stellungen ranschleichen wollten, um sich dann in die Luft zu jagen.

Einer von Kubiaks Legionären schnappte wohl so einen Verrückten und konnte ihn im letzten Moment über den Haufen schießen. Beim Inspizieren des Torsos konnten sie tatsächlich angebrachte Sprengsätze um seine Hüfte feststellen.

Der Kampf dauerte die ganze Nacht und in der Früh gegen 2:00 Uhr fiel `Eliane 1´. Selbst Verwundete kämpften ums nackte Überleben. `Dominique 3´ ereilte das gleiche Schicksal.

Die algerischen Schützen und die paar T’ais kämpften im Nahkampf mit Bajonetten und Klappspaten auf aussichtslosem Posten. Nach sechs Stunden Kampf erreichte ein Funkspruch von dem Kommandanten Maj. Maurice Chenel das Hauptquartier: ’Wir können `Dominique 3´ nicht mehr halten. Wir zerstören alles, auch das Funkgerät. Auf Frankreich. Adieu. Vive la France.’

Im Westen setzten die Viets mit ihrer 308. Division den restlichen Bastionen von `Huguette ´ empfindlich zu. `Lily´ und `Huguette 5´ hielten sich bis 3:00 Uhr morgens wacker. Der verwundete Lieutenant Junior Grade Boisbouvier mit drei Unteroffizieren verteidigte mit 25 Legionären, darunter Paras, verbissen `Huguette 5´.

Ein weiterer Gegenangriff mit Legionärsparas erfolgte von `Huguette 2´ aus und blieb am eigenen Stacheldrahtverhau stecken. Der letzte verbliebene fahrtüchtige Panzer wurde abgeschossen. Zwei Vietminh-Regimenter nahmen `Huguette 5´ in die Zange, ein weiteres Regiment stand kampfbereit dahinter und bildete die Reserve.

Die Verteidiger zählen noch knapp 2900 einsatzfähige Soldaten. Nun brachten die Vietminh Raketenwerfer, genannt `Stalinorgeln´, in Stellung und belegten unsere Verteidigungsanlagen mit Beschuss.

Die unter französischer Flagge kämpfenden Soldaten kämpften an der äußersten Bastion des Überlebens.“

 

Đien Biên Phu / Hanoi

In Hanoi wurden unter Colonel Sauvagnac Freiwillige für den Fallschirmsprung notdürftig ausgebildet, um den Kameraden in Đien Biên Phu weiterhin zu Hilfe zu eilen.

Als Langlais davon erfuhr, schrie er zynisch in den Äther: „Was wollt ihr denn bei uns, meint ihr, wir brauchen euch, die ihr nicht mal wisst, wie man ’Fallschirm’ schreibt, um die Schlacht zu gewinnen? Im Leben nicht. Bleibt, wo ihr seid, und trinkt ein Gläschen Vin Rouge auf uns. Dies gilt auch für die restlichen Helden, die uns helfen wollen.“

 

Angaben der Vietminh:

„Die dritte Phase des Angriffs hatte begonnen. Im Osten eroberte Regiment 98 Hügel C1 (`Eliane 1+2´) nach 20-tägigem Kampf. Regiment 209 kontrolliert die Anhöhen 505 und 505A. Im Westen wurde durch Regiment 88 Hügel 311A (`Huguette 3´) attackiert. Im Süden griff ein Regiment Sektor C, Hong Cùm (Isabelle) an.

In den letzten drei Tagen konnten 275 Stück 155mm Granaten, 14.000 Stück 105mm Granaten und 5000 Stück 120mm Mörsergranaten von den französischen Fallschirmabwürfen aus Flugzeugen entgegengenommen werden. Hierfür sind wir zu Dank verpflichtet.

General Giap empfng einige seiner Bo Doi, die von ihren Vorgesetzten für eine Auszeichnung vorgeschlagen worden waren. Sie hatten etliche Gräben von Franzosen säubern können. Aufgeregt standen sie vor ihrem Oberbefehlshaber, der sie befragte: „Wie habt ihr denn das geschafft, so viele Feinde zu töten?“ Der Bo Doi mit dem Namen Vin Trang kam einen Schritt näher, verneigte sich kurz und: „Durch Riechen, Herr General, durch Riechen. Nachts krochen wir leise, Meter für Meter, an die Franzosen heran. Die machen nämlich einen großen Fehler.“ – „Was denn, Bo Doi,? Erzähle weiter“, so Giap. „Na, die rauchen so ein stinkendes Kraut und das riecht man schon meterweit. Ich zündete die Handgranate und schon war der Gestank mitsamt dem Franzosen vorbei.“ Dabei lachten und freuten sich die Bo Doi wie die Kinder. Giap heftete persönlich schmunzelnd die Auszeichnung an die olivgrüne Kampfjacke.

„Schön hast du das gemacht. Wie ist die Verpflegung, haben du und deine Kameraden genügend zu essen?“ – „Ja, General. Wir finden immer mehr von dem französischen Essen mit dem Namen Corned Beef. Mit unserem leckeren Nuoc Nam [Fischsauce] wird es vermischt und es schmeckt ausgezeichnet. Wir nennen es Affenfutter, weil wir ja nicht wissen, was es ist.“...

 

Ausschnitt aus dem Buch `Dien Bien Phu´ von Terry Kajuko – Verlag: EPEE-Edition

 Ausschnitt aus dem Buch `Dien Bien Phu´ von Terry Kajuko – Verlag: EPEE-Edition

 

Arthur Engel erlebte als Fallschirmjäger der französischen Fremdenlegion im 1er BEP den Krieg in Indochina und 1954 die Schlacht von Dien Bien Phu. Der Autor Terry Kajuko hat in dieser romanhaften Biografie die Erlebnisse seines Vaters verarbeitet.

Neben interessanten persönlichen Erlebnissen werden in diesem Buch, das über 250 Fotos und Karten beinhaltet, zahlreiche Fakten und Hintergründe des Indochina-Krieges, zur Schlacht in Dien Bien Phu und zur französischen Fremdenlegion erläutert.

„In Algerien zu Fallschirmjägern ausgebildet und nach Indochina verschifft, befanden sie sich in keinem gewöhnlichen Krieg, sondern in einem Dschungelkrieg des Mikrokosmos. Ein Krieg ohne zusammenhängende Front. Das Einsatzgebiet eines Elitesoldaten, des Fallschirmjägers.
Im Norden, an der Grenze zu Laos und nicht weit bis China, schwebten die besten Kolonialtruppen in kürzester Zeit vom Himmel oder wurden auf der zusammengebauten Landepiste abgesetzt. Es war die größte Luftlandeoperation im Indochina- und späteren Vietnamkrieg.
In der darauffolgenden Schlacht in einem Tal namens Điện Biên Phủ wurden bewegliche Kampfeinheiten in zusammengebastelten Erdbefestigungen untergebracht, welche in keinster Weise ausreichend gegen Granatenbeschuss gesichert waren. Umzingelt von einer in Laufgräben geschützten und ausgezeichnet bewaffneten Übermacht, den Vietminh. General Giaps Artillerie feuerte völlig überraschend aus gut getarnten Stellungen heraus, hoch oben in den Bergen, wo jede abgefeuerte Granate ein Treffer war.“


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